Der Horcher im All.


Bilder sollen „sagen“,  was sie bedeuten.   Wir wollen die Bilder „verstehen“.

 

Bilder stehen in einem zeitlichen Kontext. Der Künstler gestaltet sie so, wie auch andere Künstler

seiner Zeit Bilder gestalten. Kunsthistoriker interessieren sich für solcherart Beziehungen.

Auf diese Art sollen Bilder hier aber nicht betrachtet werden.

 

Andererseits: Bilder sind auch Ausdruck des „Kollektiven Unbewussten“.   Bilder sind ja mehr als nur eine Abbildung der sichtbaren Verhältnisse. Der Künstler möchte darstellen, was die Gesellschaft innerlich bewegt.

Auch dieser Art Betrachtungen sind hier nicht von Interesse.

 

Die Bilder sollen als Ikonen betrachtet werden.

 

Wir betrachten Bilder also nicht in ihrem zeitlichen Kontext wie ein Kunsthistoriker. Wir erforschen

Bilder auch nicht bezüglich ihrer gesellschaftlichen Aussagen wie etwa ein Soziologe.

 

Wir betrachten die Bilder als Ikonen.    Die Bilder der Bibel „reden“ von der Welt des Geistes, von Geisteswesen. Von Engeln.

 

Ikonen werden verstanden  ikonographisch:     Was bedeuten die Elemente des Bildes ?

Ikonen werden verstanden  ikonologisch: Was bedeuten die Zuordnungen der Elemente des Bildes ?

 

Diese Art der Betrachtung soll an einem Beispiel verdeutlicht werden.

 

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Der Horcher im Weltall als Ikone betrachtet.

 

Was tut dieser Mensch da: Lauscht er auf ein Zeichen anderer Wesen im All wie er selbst eines ist,

oder möchte er die Stimme Gottes hören ?

 

Was bedeuten die Elemente des Bildes?  Also, was ist uns ikonographisch gegeben?

 

Wir sehen einen Menschen, nackend.  Er hält die linke Hand ans Ohr, um besser hören zu können.

Er steht auf einer Kugel.  Diese Kugel ist die Erdkugel.  Wir wissen das, weil der Künstler das

gesagt hat.

 

Das sind also die ikonographischen Gegebenheiten. Jetzt zu den Zuordnungen der Elemente.  „Der

Mensch steht auf der Erde“.   Er ist ja erheblich größer als die Erde und daher reicht sein Kopf bis in das Weltall hinein.

 

Was bedeutet das ikonologisch, „auf etwas zu stehen“?   Der Wanderer steht auf dem Gipfel des

Berges,  der Sportler steht auf dem Treppchen,  der Pastor predigt von der Kanzel herunter, jemand hat ein hohes Amt inne, usw.

Was also bedeutet das?  Jemand hat sein Ziel erreicht. Er hat Mühen auf sich genommen und hat es

geschafft: Er hat Autorität über etwas erlangt.

 

Denken wir an den Auftrag, den Gott Adam gab: „Mache dir die Erde untertan!“ Bei diesem Bild könnte man also vermuten, was der Mensch denkt: „Gott, ich habe mir die Erde untertan

gemacht, was sagst du jetzt?“

 

Betrachten wir ein weiteres Detail: Der Mensch ist nackend. Das hat hier nicht die Bedeutung, dass

er „arm und bloß“ ist. Was also ist das hier?

Bekleidet sein mit einer Uniform, mit einem Trikot, mit einer Livree, ist Hinweis darauf, in jemandes

Diensten zu stehen. Allgemein ist Kleidung Ausdruck der Zugehörigkeit zu einer Gruppe.

 

Adam war nackend, aber wir sind hier nicht mehr im Paradies.  Jetzt nackend zu sein bedeutet, niemandem anzugehören, allein zu sein.

 

Was also bedeutet das Bild als Ikone betrachtet?

 

Der Mensch ist einsam in der Welt und er sehnt sich nach Gemeinschaft :  „Wir Menschen haben

uns die Erde untertan gemacht, so weit wie möglich, und wir würden gerne wissen, was du, Gott, dazu meinst, falls es dich gibt."   Um besser hören zu können, hat der Mensch sich auf die Zehenspitzen gestellt.

 

( Die Figur ist aus Schweißdraht in Tropftechnik aufgebaut worden. Der Künstler ist Peter Hinz,

Halberstadt. )

 


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